Die meisten halten die Wahlsysteme der westlichen Demokratien für gut. Dabei können sie leicht schlechte Ergebnisse liefern und sind in ihrer Qualität unuserer hoch entwickelten Zivilisation nicht angemessen. Der Grund dafür ist das Beharren auf Gewohnheiten, vielleicht fehlendes Vertrauen in Neues, und manchmal schlicht Machtkalkül. Das Ergebnis spiegelt sich in Politikverdrossenheit, Nichtakzeptanz in der Bevölkerung und schließlich in Populismus nieder und gefährdet damit die Demokratie.
Aber bevor man über gut und schlecht spricht, muss man sich zunächst darauf verständigen, was die meisten für gut halten.
Folgende Erwartungen werden wohl von den meisten Menschen geteilt:
Diese Forderungen unterstützen Stabilität, Effizienz und Gerechtigkeit. Ausgleichende Momente sind wichtig, um monopolisierenden Effekten entgegenzutreten. Eine schnelle Anpassungsfähigkeit ist nötig in einer Zeit schnellen Wandels. Die Differenzierung kann zu besserer Akzeptanz führen. Nur wenn jede Stimme berücksichtigt wird, fühlen sich Menschen gerecht behandelt - was die Akzeptanz fördert. Akzeptanz ist die wichtigste Grundlage für Stabilität, denn nicht der Wechsel führt zur Instabilität, sondern die falsche Wahl, auch wenn sie konstant bleibt.
Wir untersuchen nun jede dieser Forderungen und betrachten, wie gut verschiedene Wahlsysteme die Forderungen erfüllen. Danach wollen wir existierende Wahlsysteme an den Überlegungen messen. Stellen sie sich als nicht angemessen heraus, ist es die Aufgabe einer Demokratie diesen Makel zu beheben.
Wir schauen uns zuerst eine Einzelwahl an, bei der von mehreren Kandidaten derjenige mit der höchsten Akzeptanz gewählt werden soll. Es kann nur einen geben. Für Parlamerswahlen sieht das etwas anders aus. Dort ist das Ergebnis eine Zusammenstellung vieler Repräsentanten die prozentual möglichst den Wählerwunsch nach Parteien abbilden und oft auch weitere Eigenschaften aufweisen soll. Parlamentswahl behandeln wir etwas später.
Viele Wähler beklagen, dass sie nicht voll und ganz hinter dem Programm einer Partei oder eines Kandidaten stehen und diese Partei oder diesen Kandidaten nur als Notlösung wählen. Manche wählen dann gar nicht, was vielleicht ehrvoll klingt, da es Rückrat zu zeigen scheint, aber aus logischer Sicht unsinnig ist, da man durch Nichtwählen die Wähl vollständig anderen überlässt und keinerlei Einfluss ausübt, eine ganz schlechte Wahl zu einer nicht ganz zu schlechten zu machhen (aus Sicht des Wählers). Der Wählerwunsch ist eindeutig, genügend Wahlmöglichkeiten zur Auswahl zu haben, also Diversität. Dass Diversität nicht nur dem Wählerwillen entspricht, sondern allgemein auch gesund und nötig für eine Demokratie ist, wollen wir an anderer Stelle diskutieren und nehmen hier nur an, dass dies auch wirklich so ist und nicht nur zum Wählerwillen passt. Also je mehr Wahlmöglichkeiten (Kandidaten oder Parteien) erstmal umso desto besser. Das Problem von Zersplitterung werden wir auch noch besprechen, versprochen!
Aber was ist, wenn das Ergebnis von mehr Wahlmöglichkeiten (hier stellvertretend Kandidaten) verfälscht wird? Das kann bei einem einfachen Wahlsystem, wie wir es zum Beispiel bei der Bundestagswahl 2025 nutzen, leicht passieren. Dazu ein Gedankenexperiment.
Bei einer Wahl hat Kandifat A 40% der Stimmen und Kandidat B 60%.
A: 40%
B: 60% gwinnt die Wahl (bei einfachem Wahlsystem)
Soweit so unspektakulär. Nun hat B einen Freund C, der das meiste ähnlich sieht und auch ähnlich beliebt ist bei denen, die bei der A-B-Wahl B wählen würden. Aber C ist nicht ganz so beliebt, er hat weniger Akzeptanz, will sich aber unbedingt aufstellen, da C von seinem Programm überzeugt ist (nehmen wir hier zumindest an).
A: 40% gwinnt die Wahl (bei einfachem Wahlsystem)
B: 31%
C: 29%
Das ist schlecht. Die meisten (nämlich 60%) sind mit dem Ergebnis unzufrieden. Obwohl ein weniger akzeptierter Kandidat hinzukam und die Diveristät stieg, sinkt die Akzeptanz.
C hat eine Freundin D, die bei den B-Wählern der ersten A-B-Wahl eine höhere Akzeptanz hat als B und sogar bei einiigen A-Wählern etwas Akzeptanz genießt. Sie tritt anstelle von C an:
A: 39% gwinnt die Wahl (bei einfachem Wahlsystem)
B: 29%
D: 32%
D hat eindeutig die höchste Akzeptanz. Es ist gut, dass sie sich zur Wahl stellt, denn eine A-D-Wahl hätte den höchsten Akzeptanzwer überhaupt erreicht:
A: 39%
D: 61% gwinnt die Wahl (bei einfachem Wahlsystem)
Die Schuld für die schlechte Wahl trägt das einfache Wahlsystem, dass das Aufteilen der Stimmen bestraft ohne Rücksicht auf die Gesamtakzeptanz. Ganz schlimm wird es, wenn sich alle Kandidaten zur Wahl stellen:
A: 39% gwinnt die Wahl (bei einfachem Wahlsystem)
B: 20%
C: 19%
D: 22%
Es sieht jetzt sogar so aus, als hätte A haushoch gewonnen. Aber wir wissen, wem die höchste Akzeptanz gilt.
Nun werden manche sagen, eine Stichwahl löst das Problem. A ist dagegen, da er ja "haushoch" gewonnen hat, aber die B-, C- und D-Wähler fordern eine Stichwahl mit lautem Protest.
A: 39% kommt in die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
B: 20%
C: 19%
D: 22% kommt in die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
Bei der Stichwahl gewinnt D:
A: 39%
D: 61% gewinnt die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
Problem gelöst? Nein. Kurz bevor es zur Wahl kommt, kommt Kandidatin E dazu. Obwohl E eine geringere Gesamtakzeptanz als D erfährt (nur 30%) zieht sie Stimmen ab und er ergibt sich folgender erster Wahlgang:
A: 30% kommt in die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
B: 18%
C: 15%
D: 17%
E: 20% kommt in die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
Bei der Stichwahl gewinnt wieder A, diesmal wirklich haushoch:
A: 70% gewinnt die Stichwahl (bei Wahlsystem mit Stichwahl)
E: 30%
Eine Stichwahl korrigiert zwar am Ende gut. Aber wie die Kandidaten in die Stichwahl kommen, kann das System auch nicht gut lösen.
Man kann andere fiktive Akzeptanzen durchrechnen und wird andere Fälle finden, die ebefalls nicht die höchste Akzeptanz zur Folge haben. Das Problem der Aufteilung der Stimmen bleibt, denn es wird immer nach der höchsten Akzeptanz nach einer Aufteilung bewertet. Statt durch das größere Angebot an Kandidaten zu einer besseren Akzeptanz zu führen, ergibt die einfache Wahl sogar mit Stichwahl oft kein gutes Ergebnis. Und dazu kommt noch der erhöhte Aufwand einer Stichwahl: Die Wähler müssen zwei mal wählen. Sie bringt also nur kleine Verbesserungen bei erhöhtem Aufwand ohne das Grundproblem zu lösen.
Wir können die einfache Wahl durch Stimmweitergabe modifizieren. Jeder Kandidat kann dann sagen, welcher anderer Kandidat seine Stimmen bekommen soll, wenn er zu geringe Akzeptanz hat. Wir verzichten hier erst mal auf eine Stichwahl, da sie nur immer in der letzten Auswahl funktiooniert und zusätzlichen Aufwand fordert. Wir werfen Kandidat für Kandidat raus, wenn er die geringste Akzeptanz von allen hat, bis nur noch ein Kandidat übrig bleibt. Wir nehmen im Beispiel folgendes an:
A würde seine Stimmen an E geben.
B würde seine Stimmen an C geben.
C würde seine Stimmen an B geben.
D würde ihre Stimmen an C geben.
E würde ihre Stimmen an A geben.
Mit dem Wahlergebnis zuvor ergibt sich C als Kandidat mit der geringsten Akzptanz:
A: 30%
B: 18%
C: 15% fliegt raus und gibt seine Stimmen an B.
D: 17%
E: 20%
Nach der Weitergabe der Stimmen ergibt sich:
A: 30%
B: 33%
D: 17% fliegt raus und gibt ihre Stimmen an C. Da C nicht mehr dabei ist, gehen die Stimmen an B.
E: 20%
Nach der Weitergabe der Stimmen ergibt sich:
A: 30%
B: 50%
E: 20% fliegt raus und gibt ihre Stimmen an A.
Nach der Weitergabe der Stimmen ergibt sich:
A: 50%
B: 50%
Mit nur wenigen Prozenten Unterschied hätte A oder B gewinnen können, was in einem Fall eine schlechte und im anderen eine nicht optimale Akzeptanz beschert hätte. Für eine Klärung wäre spätestens hier eine Stichwahl nötig, und wir ahnen schon, dass diese auch schon an früherer Stelle sinnvoll gewesen wäre, da D die höhere Akzeptanz hat als B. Aber das gibt dieses modifizierte Wahlsystem nicht her.
Bewertung:
Durch die Einfachheit kann die Stimmweitergabe zwar auf der Stelle bestehende Wahlen verbessern und ist ein gutes Mittel beim Lösen anderer Probleme wie der Zersplitterung. Aber es geht besser - wenn auch auf Kosten der Einfachheit.
Statt einen Kandidaten entscheiden zu lassen, wohin seine Stimmen wandern sollen, wenn bei ihm die Akzeptanz nicht ausreicht, könnte man dies von Anfang an den Wähler entscheiden lassen. Dh. der Stimmzettel bekommt dann nicht ein Kreuz, sondern kann entweder mehrere Kreuze haben, also eine Spalte für die erste Wahl, eine für zweite Wahl (=Ersatzwahl) usw., oder anstelle des Kreuzes die Zahlen 1, 2 etc. die für die erste Wahl, zweite Wahl uws. stehen. Im letzten Fall sieht der Stimmzettel genauso aus wie bisher, kann aber mit mehrere Zahlen gültig ausgefüllt werden (aber keine doppelt). Wenn der ausgewählte Kandidat zu wenig Stimmen hat, wandern seine Stimmen zu dem jeweiligen Kandidaten, der auf dem Stimmzettel mit der nächsthöheren Zahl notiert ist. Ist der auch bereits ausgeschieden oder scheidet als nächstes aus, so wandert die Stimme solange weiter, bis ein Kandidat durchkommt oder die Stimme verfällt.
Für die Auswertung von Stimmen einer Wahl mit Akzeptanzreihenfolge kann man unterschiedlich vorgehen
Ein offensichtlicher Weg ist, Kandidaten mit geringer Akzeptanz nach und nach zu entfernen, wobei eine Stimme, die auf ihn ging, dann auf den jeweils nächsten auf dem Stimmzettel wandert.
A: 30%
B: 18%
C: 15% fliegt raus und die Stimmen gehen an B (2%), D (5%) und E (8%)
D: 17%
E: 20%
Nun sieht die Kandidatenliste so aus:
A: 30%
B: 20% fliegt raus und die Stimmen gehen an D (18%) und E (2%)
D: 22%
E: 28%
Nun sieht die Kandidatenliste so aus:
A: 30%
D: 40%
E: 30%
Das ist nun Gleichstand im unteren Bereich. Es werden nun die Stimmetteln von A und E untersucht und auf "magische Weise" - und das ist schon der Kritikpunkt - entschieden, dass einer der beiden Kandidaten weg fällt. Am Ende haben wir also entweder die Wahl A-D, die D gewinnen wird (wir erinnerun uns: 61% Akzeptanz) oder D-E, die D ebenfalls gewinnen würde, da E nur eine Akzeptanz von 30% hat.
Eine Wahl mit Akzeptanzreihenfolge ist auf jeden Fall besser als eine einfache Wahl (mit oder ohne Stichwahl) oder eine Wahl mit Stimmweitergabe durch den ausscheidenden Kandidaten. Möglicherweise gibt es gute Regeln, wie die Ermittlung des Kandidaten mit der höchsten Akzeptanz besser funktioniert als mit dem hier als "magisch" beschriebenen Fall. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, unsere Wahlsysteme zumindest bis auf dieses Level zu heben. Es ist allemal eine Verbesserung.
Man könnte nun entgegnen, dass die Akzentanzreihenfolge einen Wähler überfordern kann. Vielleicht ist es ihm lieber, seinen Kandidaten eine Weitergabe zu überlassen. Oder er will einfach nur den einen Kandidaten und sonst nichts. Wenn wir nun abmachen, dass ein klassischer Stimmzettel mit nur einem Kreuz ebenso gültig ist, aber bedeutet, dass von dem einen Wähler eben auf eine zweite Wahl verzichtet wird, dann haben wir das klassische Wahlsystem eingebettet. Wer so wählen will wie bisher, kann dies also einfach weiter machen. Wenn wir statt des Kreuzes auch einen Kreis zulassen und vereinbaren, dass der so gewählte Kandidat solche Stimmen weitergeben darf, falls er unterliegt, dann haben wir auch das System mit Stimmweitergabe eingebettet. Damit vertraut der Wähler der Entscheidung des Kandidaten. Zu guter Letzt erlauben wir ein Kreuz, Zahlen und den Kreis gleichzeitig. Wenn mehreres genutzt wird, dann bedeutet das Kreuz die Erstwahl (wenn keine 1 notiert wurde), die Zahlen in aufsteigender Reihenfolge ohne Lücke die Zweitwahl, Drittwahl etc. und der optionale Kreis steht für die letze Wahl, wenn die vorherigen scheitern sollten, und erlaubt es dem dadurch gewählten Kandidaten die Stimmen weiter zu geben.
Warum wird diese Kombinationsmöglichkeit hier genannt? Weil Gegner von Wahlrechtsreformen entgegnen können, dass alles zu kompliziert wird. Nun, jeder kann wie gewohnt weiter wählen. Wer aber mit den klassichen Problemen der einfachen Wahl konfrontiert wird, dem wird durch die Neuerungen die Möglichkeit gegeben, seine Akzeptanz optimal auszudrücken.
Während es bisher um die Auswahl eines Kandidaten ging, geht es bei einem Parlament um mehrere Abgeordnete. Dabei spielt zum einen der individuelle Abgeordnete eine Rolle (wer soll es sein?) zum anderen seinie Partei (welche Richtung vertritt er?). Zwar ist das Mandat eines Abgeordneten per Grundgesetz frei, dh. er darf auch entgegen des Parteiprogramms seiner Partei abstimmen. Aber wir gehen nun erstmal davon aus, dass alle Abgeordneten einer Partei austauschbar sind - was sie für die meisten Wähler tatsächlich sind, da nur die wenigsten überhaupt alle kennen. Auch wenn dieses freie Mandat mit dem Konzept der Parteien kollidieren kann und es auch parteilose Abgeordnete geben kann, hat für die allemeisten Wähler unleugbar die höchste Priorität, dass die Zusammensetzung eines Parlamentes möglichst nahe an dem politischen Wunsch seiner Wähler heran kommt.
Während nun aber bei einer Einzel- oder Kandidatenwahl nur ein Kandidat gewinnen kann, ist das Ergebnis einer Parlamentswahl eine prozentuale Aufteilung nach Parteien (wie gesagt erst mal darauf vereinfacht). Während bei der Einzelwahl alle Kandidaten bis auf einen wegfallen müssen, können bei einer Parlamentswahl fast alle Stimmen berücksichtigt werden. Da aber die Prozente am Ende auf Abgeordnete aufgeteilt werden müssen, müssen auch hier Stimmen wegfallen - oder eben weiter gegeben werden.
Neben der Notwendigkeit, dass bei der Vergabe der Parlamentssitze nicht jede prozentuale Verteiluung ideal eingehalten werden kann und bereits dort nur mit Stimmweitergabe kleinste Parteien immer berücksichtigt würden, gibt es hausgemachte Benachteiligung von kleinen Parteien: Der Ausschluss von Parteien, die nach Definition als zu klein betrachtet werden, um als relevant zu gelten. Nun gibt es Begündungen für diese auf den ersten (und zweiten) Blick ungerechte Praxis: In einer Parteienlandschaft mit zu vielen und zu kleinen Parteien kann keine stabile Regierung zustande kommen.
Auf den ersten Blick ist die Zersplitterung auf jeden Fall ein Problem, das auf diese Weise gelöst zu werden scheint. Durch Zersplitterunug sind Koalitionsverhandlungen schwierig. Kleine Parteien könnten als "Zünglein an der Waage" überproportional großen Einfluss ausüben. Es wird regelmäßig von der Lehre aus der Weimarer Republik gesprochen, wobei unterstellt wird, dass es nur eine Antwort darauf gäbe, und diese eben ein Ausschluss von Kleinstparteien wäre. Und ja, die Sperrklausel ist auf demokratischem Weg zustande gekommen - mit dem Stimmen der großen Parteien - aber unter Verstoß des Grundgesetzes (Diskriminierung von Minderheiten, ungleiche Wahl). Anders gesagt haben sich große Parteien das Recht raus genommen, kleine Parteien einfach vollkommen auszuschließen und damit zu diskriminieren. Kleine Parteien, die ihnen in Zukunft auf die Pelle rücken könnten. Und das per demokratisch abgesegneten Entschluss (nach der ersten Bunudestagswahl, die eine solche Hürde noch nicht kannte).
Warum kleine Parteien eine Bereicherung sind wollen wir an anderer Stelle diskutieren. Hier geht es nun daum, wie man das Problem der Zersplitterung bei größtmöglicher Akzeptanz und bester Berücksichtigung des Wählerwillens behandeln kann.
Wir deuten die Prozenthürde wie bei der wahl von Einzelkandidaten als Wegfall der gewählten Partei. Aber anstatt diese Stimmen einfach verstummen zu lassen, nutzen wir eine der oben genannten Möglichkeiten. Die einfachste von ihnen, die weitergabe durch den Kandidaten bzw. die Partei hätte bei jeder Wahl sofort genutzt werden können. Allerdings sollte dann schon vor der Wahl feststellen, an welche Partei die Stimmen gehen, falls diese Partei an der Prozenthürde scheitert.
Da bereits so eine minimale Änderung den Wählerwillen viel besser abbilden würde ohne Stimmen auszugrenzen, sind alle Argumente für eine Sperrklausel scheinheilig und sollten als solche auch benannt werden. Man könnte auf einfachstem Wege eine Zersplitterunug ohne Stimmverlust und Verzerrung verhindern. Die Vorteile der Diversifizierung werden unten unuter die Lupe genommen.
Besser ist natürlich auch hier, wenn der Wähler durch Erstwahl, Zweitwahl etc. selbst entscheiden kann, ob seine Stimme weitergegeben wird, und wenn ja an wen. Das scheint soweit das Optimum zu sein, was wir erreichen können - und sollten. Jede Wahl in Stadt, Land und Bund etc. sollte die damit erreichen Forderungen erfüllen:
Manchmal werden die Abgeordneten eines Parlamentes nicht von Parteilisten bestimmt, sondern, wie zB. beim Bundestag, durch einen Wahlkreis. Dies sichert, dass alle Regionen gut vertreten sind, bringt aber neue Probleme mit sich wie Überhangsmandate (ungerechte Mehrheitten) oder Ausgleichsmandate (zu großes Parlament). Bei dem Versuch, verschiedene Ziele gleichzeitig zu erfüllen, müssen Kompromisse geschlossen werden, bei denen mal das ein, mals das andere weg fällt.
Bisher galt das direkte Mandat als das höchste zu schützende Gut. Ob das eine gute Walh ist, ist fraglich. Natürlich ist das Prinzip, jeden Region zu repräsentieren, sehr vorteilhaft. Durch die Listen der Parteien ist ein hochwertiges "Auffüllen" möglich. Aber wie wichtig ist in jedem Fall das direkte Mandat? Könnte es ein Regelwerk geben, dass in manchen Fällen auch ein direktes Mandat ablehnt?
Prioritäten:
Letzter Punkt betrifft Einfluss auf die Liste einer Partei, welche Kandidaten nachrücken.
Ein Regelwerk, dass diese Prioritäten berücksichtigt, dürfte auch Direktmandate ablehnen. Es wären ohnehin eher die Mandate von Abgeordneten, die keine besonders hohe Akzeptanz haben.
Die Sorge um die Zersplitterung der Parteienlandschaft wird immer wieder betont. Aber ist eine Zersplitterung wirklich schlimm? Und wenn sie wirklich Nachteile hat, kann man mit ihr besser umgehen?
Zunächst zu den Nachteilen einer Zersplitterung:
Aber was sind die Vorteile?
Kann man beides haben? Natürlich.
Zunächst sei angemerkt, dass eine Koalition etwas ist, was im Grundgesetzt überhaupt nicht erwähnt wird. In dem Sinne wählen die Abgeordnete (als Repräsentanten ihrer Wähler) den Kanzler, stimmen über Gesetzt gemäß ihres freien Mandats ab etc. . Dass natürlich das Bilden von Gruppen ()Koalitionen) und das Lösen von Konflikten (Koalitionsverandlunugen) im vorhinein ein konstruktiver Weg ist, ist unbestritten. Aber neben der Sperrklausel gäbe und gibt es noch weitere Anreize, gewisse Gruppengrößen zu haben, zB. um Fraktionen bilden zu können (min. 5 Abgeordnete).
Wenn nun einfach diese Gruppenbildung jeder Gruppe von Abgeordneten zugestanden wird und Voraussetzung ist, um manche Dinge zu erreichen, dann kann die Zersplitterung auf natürlichem Wege im Parlament behoben werden. Es gibt dann die Abgeordneten, die sich zu Gruppen einer Mindestgröße zusammenschließen - und die anderen.
Für die Ausgestaltung solcher Regeln gibt es viele Wege. Aber alle sind allemal besser, als Sperrklauseln.
Das Bundesverfassungsgericht, das nach der zu schützenden Verfassung (also dem Grundgesetz) unter anderem die Aufgabe hat die Diskriminierunug von Minderheiten zu verhindern, hat seit der Einführung viele Klagen schlicht abgewiesen und es nicht für nötig befunden wenigstens eine Nachbesserung vom Parlament zu fordern. Und wie wir schon bei der Einzelwahl gesehen haben, ist es auch mit einfachen Mitteln möglich, einer Wahl mehr Akzeptanz zu verschaffen. Nun wird das Bundesverfassungsgericht (BVG) vom Parlament besetzt, so dass man hier nicht erwarten kann, dass sich Richter gegen eine Sperrklausel einsetzen, die die Parteien, die diese schützt, angreifen könnte. Das BVG ist in dieser Entscheidung schlicht befangen. Wie können hier also nicht viel hoffen.
Es gäbe 2 Wege aus dem Dilemma:
Wie auch immer, wir werden wahrscheinlich erst einmal weiterhin mit der Sperrklausel leben müssen. Aber wenn zumindest erst einmal ins Bewusstsein sickert, dass sie nur schlechtes bewirkt, diskriminierend und dreist ist und die Akzeptanz schmältert, dann besteht vielleicht die Chance, dass sie bei einer zukünftigen Wahlrechtsreform gekippt wird.
Warum sollen Sperrklauseln besser sein als die vielzähligen Alternativen? Gab es bei ihrer Einführung eine Diskussion um Lösungen, die weniger rabiat mit kleinen Parteien umgehen? Hätte das BVG 1953 eine Nachbesserung fordern sollen? Es hätte es müssen. Es ist ein eklatanter Verstoß gegen jedes Gerechtigkeitsprinzip. Fast jede alternative Methode zur Eindämmung der befürchteten Zersplitterung wäre besser. Es ist ein Versäumnis, das, auch wenn wir es nur geerbt haben, nun nachgeholt werden muss.